Brief an Bürgermeister Mag. Christoph Wolf, M.A.

Replik auf die Anfragebeantwortung der Petition Alte Schule

Wir nehmen öffentlich Stellung auf die Reaktion des Bürgermeisters zur Petition unter Bezugnahme auf den Inhalt des Baurechtsvertrags



Geschätzter Herr Bürgermeister, lieber Christoph!

Wir, als Initiative Zukunft Hornstein, unterstützen unter anderem die nachhaltige Belebung des Ortskerns im Rahmen der Entwicklung eines zukunftsgewandten Leitbildes für unsere Gemeinde.

Am Beispiel der »Alten Schule«, dem im Jahre 1852 errichteten und unter Denkmalschutz stehenden ehemaligen Schul- und Gerichtsgebäude, lässt sich durch rein betriebswirtschaftlich motivierte und rechtfertigende Maßnahmen in Form eines Baurechtsvertrages eine Aushöhlung und massive Einschränkung zukünftiger Gestaltungsmöglichkeiten nachfolgender Gemeindeführungen ableiten.

Die Vielzahl an Risikopotentialen dieses Baurechtsvertrages kann zusammenfassend wie folgt festgehalten werden: formalrechtlich bleibt die »Alte Schule« im Eigentum der Gemeinde, faktisch ist es ein Verkauf. Dafür sprechen unserer Ansicht nach die folgenden, aus dem Baurechtsvertrag hervorgehenden Aspekte:

  • Der aktive Ausstieg aus dem Baurechtsvertrag ist scheinbar ausschließlich von Seiten des Baurechtsnehmers möglich (Siehe BRV Punkt 2.3):
    • Die Gemeinde hat vertraglich offenbar keinen Einfluss über das Zustandekommen einer von sich aus angestrebten Auflösung! Diese Möglichkeit wurde im Zuge Deiner Verhandlungen scheinbar gar nicht vorgesehen. Das Deinerseits öffentlich formulierte Argument der vorzeitigen Rücknahme ist dadurch nicht glaubhaft.
    • Die Gemeinde ist daher auf die Bereitschaft und Entscheidung des Baurechtsnehmers angewiesen und somit abhängig – ein Nachteil für die Gemeinde!
  • Die Gemeinde gibt damit sämtliche Gestaltungsrechte für 100 Jahre ab und räumt überdies vertraglich über diese 100 Jahre Vertragslaufzeit hinausgehend die Nutzung dem Baurechtsnehmer oder auch dessen Rechtsnachfolgern uneingeschränkt und ungeregelt ein! Dieses Detail wurde in Deiner Öffentlichkeitsarbeit zur Gänze verschwiegen!
    • Der Bauberechtigte ist laut BRV Punkt 5.3 berechtigt, das zu errichtende Gebäude auch über die Vertragsdauer hinaus zu vermieten, sofern der Bestandzins ortsüblich und angemessen ist. (Zudem: Welches Gebäude wird denn errichtet?)
    • Im vorliegenden Baurechtsvertrag ist also dem Baurechtsnehmer die Möglichkeit gegeben, die eingerichteten (!) Wohnungen in das Eigentum der Mieter zu übertragen. Die Gemeinde wäre gezwungen, Wohnungseigentum, das vom Baurechtsnehmer eingerichtet werden kann, als gegeben zu akzeptieren. Das Wohnungseigentum im Rahmen eines Baurechtsvertrages ist für den Baurechtsgeber aufgrund der aktuellen Gesetzeslage in Österreich bei einer Rückgabe nämlich nicht geklärt! Demgemäß ergibt sich eine rechtlich unklare Situation für die Gemeinde als Baurechtsgeberin im Falle der Auflösung des Baurechts. Wir vermissen daher eine entsprechende Vereinbarung bezüglich einer Untersagung des Bauberechtigten das Baurecht bücherlich oder außerbücherlich zu belasten beziehungsweise Nutzungsrechte an der Baurechtsliegenschaft an Dritte einzuräumen (siehe als Beispiel KG 03003 Amstetten EZ 94, Gst. Nr. 523 und EZ 2045, Gst Nr. 525).

Allfällige Konsequenzen dieser Nachlässigkeit vererbst Du in Deiner Verantwortung als gegenwärtiger Bürgermeister somit Deinen AmtsnachfolgerInnen, vor allem aber den zukünftigen Generationen von Hornsteinern und Hornsteinerinnen.

  • Bezüglich „Keine Kosten für die Gemeinde“ ist zu erwähnen, dass gemäß
    BRV Punkt 2.6 für anfallende Kosten (notwendige Verlegung von Leitungen, Kanäle, Erdeinbauten, usw.) die Gemeinde als Baurechtsgeberin aufzukommen hat. In Punkt 5.1 werden ebenso Kosten für die Gemeinde sichtbar. Auch dieser öffentlich – im Sinne Deiner (politischen) Kommunikation – formulierten Argumentation ist somit ebenso zu widersprechen.
  • Gemäß abgeschlossenem Baurechtsvertrag erfolgt im Falle der Vertragsauflösung vor Ablauf der 100-jährigen Vertragslaufzeit die Rückzahlung aller offenen Verbindlichkeiten im Wege einer Schuldübernahme durch den Baurechtsgeber (die Gemeinde).
    • Wurde dieses Risiko für die Gemeinde kalkuliert –> Kosten für die Einrichtung der Wohnungen?
    • Wurde dem Gemeinderat als beschlussfassendem Gremium im Vorfeld der Beschlussfassung eine Plankostenübersicht über die Einrichtung der Wohnungen vorgelegt, um daraus eine übliche Risikoabschätzung bei vorzeitiger Beendigung des Vertrages überhaupt vornehmen zu können?
    • Weshalb sind nach Punkt 5.2 des Baurechtsvertrages „als Entschädigung die zum Zeitpunkt des Erlöschens noch offenen Verbindlichkeiten, die für die Sanierung des in Punkt A2 des Baurechtsvertrages erwähnten Objektes aufgenommen wurden, von dem Baurechtsgeber im Wege einer schuldbefreienden Schuldübernahme zur weiteren Rückzahlung zu übernehmen“?

Unabhängig von besagtem Baurechtsvertrag erscheint uns der Spargedanke als politische Rechtfertigung, als „Totschlagargument“, als Angstmache und zudem unglaubwürdig.

Die bereits mehrmals formulierte Behauptung „Gefahr im Verzug“ im Zusammenhang
mit der Bausubstanz der »Alten Schule« ist offenbar vorgeschoben und irreführend, da andernfalls die »Alte Schule« und ihre unmittelbare Umgebung längst abgesperrt sein müssten. Oder wurde das verabsäumt?

Als kommunikatives Manöver wertend ist die von Dir vorgebrachte Priorisierung des Volksschulzubaus und die Erweiterung des Feuerwehrhauses entgegen alternativer Nutzungsvarianten für die »Alte Schule« nachvollziehbar. Aber: Hier werden aus unserer Sicht Äpfel und Birnen vertauscht!

Stichwort „Dorfanger“: Die Neugestaltung des Angers hat ihren für alle sichtbaren Ausdruck im Verkauf des Arzthauses gefunden, was an sich bereits ein Nachteil für eine konzeptionell nachhaltige Ausrichtung der Ortsmitte im Sinne einer gemeinschaftlichen Nutzung ist. Durch den Verkauf des Arzthauses verlor die Gemeinde erstmals und unter Deiner Amtsführung ihren gestaltenden Einfluss auf das Bild des Ortskerns. Wir finden das bedauerlich.

Im Rahmen einer alternativen Nutzung der »Alte Schule« (wir verweisen auf die Forderungen der Petition) wäre eine weitere Versiegelung der Ortsmitte durch Parkplätze (Anm.: für die Nutzer der geplanten Wohnungen in der »Alten Schule«) schlicht nicht erforderlich. In Bezug auf das hochbrisante Thema „Klimaschutz“ stellt die Flächenversiegelung eines der drängendsten ökologischen Grundprobleme dar. Die Gemeinde hätte hier Handlungsspielraum und hat zudem Vorbild zu sein. Die Schaffung zusätzlicher Grünflächen, auch im Zentrum Hornsteins, würde das Erkennen der Zeichen der Zeit glaubhaft dokumentieren.

Wir vermissen Deine Bereitschaft als Bürgermeister sich mit kreativen Visionen und nachhaltigen Ideen auf politischer Ebene in Deiner Verantwortung im Rahmen üblicher Prozesse und somit glaubwürdig auseinanderzusetzen. Ursprünglich wurde im Zuge der sogenannten Bürgergespräche zur Leitbildentwicklung angeregt, möglichst viele Ideen auch zur Nachnutzung der »Alten Schule« zu entwickeln. Bezüglich dieses vorgeblichen Prozesses im Zusammenhang mit Deinem Verständnis über einen Zugang zur Bürgerbeteiligung mit dem Ziel ein Dorfleitbild zu entwickeln, wurde in der Petition die Frage gestellt, wieso der Gemeinderatsbeschluss über das Schicksal der »Alten Schule« bereits vor der Veröffentlichung der Ergebnisse durch Zeus Consulting begleiteten Leitbildprozesses erfolgte. Deine Begründung, dem Auftrag und der Vorgabe des Prozessbegleiters Folge geleistet zu haben, verwundert uns und ist zudem äußerst frag- und unglaubwürdig.

Befremdlich ist außerdem der Versuch, mittels einer derartigen Argumentation zu glauben, die Anliegen von 265 UnterzeichnerInnen der Petition ignorieren zu können.

Wir fordern weiterhin die Ermöglichung der Neukonzeption eines Bürgerbeteiligungsverfahrens zur Ausarbeitung von Nachnutzungsalternativen für die »Alte Schule« durch die Rücknahme des Gemeinderatsbeschlusses vom 22. Mai 2019 im Zuge der bevorstehenden Sitzung des Gemeinderats.

Ist die hundertjährige Veräußerung aller Rechte und Gestaltungsmöglichkeiten über unsere »Alte Schule« eine für die Gemeindeführung und den Gemeinderat vernünftige Lösung für die kolportierte Problematik einer „aktuellen Belastung des Gemeindehaushalts“?

 

Mit freundlichen Grüßen,

Das Team der IZH-Personenkomitees

PS:
Zur Klarstellung: die Initiative Zukunft Hornstein besteht aus mehreren ehrenamtlich engagierten und interessierten Personen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Entwicklungen in der Gemeinde zu verfolgen, darüber zu informieren, Ideen einzuholen sowie selbst einzubringen, aber auch Irrwege kritisch zu hinterfragen und zur Diskussion zu stellen.

Personen der Initiative Zukunft Hornstein haben an diversen Bürgergesprächen nicht nur teilgenommen, sondern auch aktiv an der Erarbeitung von Lösungsvorschlägen mitgewirkt.

Ich habe die Petition stellvertretend für alle diese Personen eingebracht.

 

PPS:

Dieser Brief wird von der Initiative Zukunft Hornstein öffentlich gemacht.

Über diese Initiative

Die Initiative Zukunft Hornstein ist ein Dialog- und Bürgerforum für die Menschen der Gemeinde Hornstein.

Wir sind ehrenamtlich engagiert und haben es uns zum Ziel gesetzt, die Entwicklungen in Hornstein zu verfolgen, darüber zu informieren, Ideen einzuholen sowie selbst einzubringen, kritisch zu hinterfragen und zur Diskussion zu stellen.

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