Ausgang auf Ordinationstür Praxis Dr. Heindl im Gesundheitszentrum

Verwirrung um kassenärztliche Gesundheitsversorgung

Gegendarstellung Dr. Heindls widerlegt die öffentliche Darstellung des Rathaus

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Seit Wochen wird Hornsteins Gesundheitsversorgung von der gemeindeführenden ÖVP (Team Wolf) und der SPÖ zum Thema gemacht. Die Anstellung einer „Community Nurse“ (Gemeindeschwester) oder der Aufbau einer Primärversorgungseinheit (PVI) machen als Ideen, Forderungen oder Vorhaben die Runde – je nachdem von welcher Richtung sie kommen. Das Ziel der aktuell wahlwerbenden Fraktionen ist dasselbe: es geht um nicht weniger als um die Sicherung der Gesundheitsversorgung im Dorf. Zumindest soll man diesen Eindruck gewinnen. Nur wenige Wochen vor den Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen am 2. Oktober scheint die Kommunikation rund um das Thema Gesundheit in Schieflage zu geraten.

Aber der Reihe nach. Mit Dr. Hans Heindl und Dr. Johannes Reisner praktizieren in Hornstein seit langem zwei Allgemeinmediziner. Beide verrechnen deren ärztlichen Leistungen mit den verschiedenen Kranken- bzw. Gesundheitskassen. So auch mit der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Die frühere Burgenländische Gebietskrankenkasse (BGKK) wurde bekanntlich 2020 auf Grundlage des von der türkis-blauen Bundesregierung 2018 verabschiedeten Sozialversicherungs-Organisationsgesetzes durch die ÖGK ersetzt. Heuer wurde die Kassenreform vom Bundesrechnungshof geprüft – mit desaströsem Ergebnis. Zudem hat der Rechnungshof schon im September 2021 gezielte Maßnahmen zur Besetzung von Planstellen in der Gesundheitsversorgung mit besonderem Fokus auf regionale Bedürfnisse empfohlen.

Hornstein braucht einen Arzt

Am 22. Juli 2022 wurde seitens der Gemeinde, sowie in den Social Media-Kanälen des Bürgermeisters (gemeinsam mit Dr. Hans Heindl auf einem Archivfoto) bekannt gemacht, dass der Allgemeinmediziner aus privaten Gründen mit 1. Oktober 2022 den Kassenvertrag mit der ÖGK zurücklegen wird.

„Er (Anm. d. Red.: Dr. Heindl) steht jedenfalls solange für alle Patienten aller Kassen als Hausarzt zur Verfügung, bis ein neuer Hausarzt für Hornstein (neben Dr. Johannes Reisner) gefunden wurde. Also keine Sorge – vorerst bleibt alles beim Alten.“

Christoph Wolf, Facebook

Die Nachricht machte in Hornstein schnell die Runde. Vor allem im Kreise der Patienten.

Sicherung der Gesundheitsversorgung

Auch im Amtsblatt war Christoph Wolf sichtlich bemüht die Gesundheitsversorgung Hornsteins als – eben – sichernd darzustellen. 

„Gesundheitsversorgung sichern: Beusch [sic!] bei Ärztekammerpräsident“, Amtliche Mitteilung, Ausgabe 9, September 2022

„Gesundheitsversorgung sichern. Beusch [sic!] bei Ärztkammerpräsident“ titelte es auf den Amtlichen Nachrichten, ebendiesem Amtsblatt. Darin ist zu lesen:

„Dr. Heindl hat bereits zugesagt, seine Ordination weiter so lange geöffnet zu halten, bis die Stelle neu besetzt wurde. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für dieser [sic!] Bereitschaft.“

Amtliche Mitteilung, Ausgabe 9, September 2022

Und:

„Die Primärversorgung der Hornsteiner Bevölkerung bleibt jedenfalls sichergestellt , da Dr. Heindl in Abstimmung mit der Gemeinde den Kassenarztvertrag behält, bis ein Nachfolger gefunden wurde.“

Ebenda

Ebenso versuchte der Bürgermeister über die Regionalmedien die potentiell heikle Dynamik einzufangen.

Bürgermeister Christoph Wolf (Volkspartei) vermittelte auf mehreren seiner Informationskanäle, er habe die Situation unter Kontrolle.

Doch kein Kassenarzt ab Oktober?

Am 5. September tauchten in den sozialen Medien (konkret in der mit der Gemeinde Hornstein assoziierten Facebook-Gruppe Hornstein) Fotos auf. Sie zeigten die Ordinationstür der Praxis Dr. Heindl. Zu sehen war ein Aushang mit dem Hinweis, dass nach der Urlaubssperre die Ordination für ÖGK-Versicherte ab Montag, 3. Oktober 2022 als Wahlarzt-Ordination zur Verfügung stehen wird. Verträge mit kleinen Kassen blieben weiterhin bestehen. Auf der Website Dr. Heindls sind dieselben Informationen einzusehen, sowie auch die zukünftigen Behandlungsentgelte.

Gibt es Bewerbungen?

Wie wir auf Nachfrage bei der Ärztekammer Burgenland erfahren konnten, habe es „keine Bewerbungen gegeben.“ Auch nicht bis 31. August, dem bereits verlängerten Endtermin, also einer zweiten Ausschreibung. Seit 12. September ist die Stelle bereits zum dritten Mal ausgeschrieben. Die Bewerbungsfrist wird am 12. Oktober 2022, 16:00 Uhr enden. Dies lässt sich auch aus den öffentlichen Bewerbungsunterlagen der Ärztekammer Burgenland entnehmen.

Auch bei der ÖGK konnte man zur Situation Auskunft geben. Dr. Heindl habe seinen Kassenvertrag per 1. Oktober 2022 gekündigt, so die Auskunft der ÖGK Burgenland. „Das Ausbleiben von Bewerbungen werde mit großem Bedauern beobachtet. Gemeinsam mit der Ärztekammer Burgenland arbeite man unter Hochdruck an der Nachbesetzung“, um zu ergänzen: „Die Kündigung eines bestehenden Vertrags sei grundsätzlich Voraussetzung für die Ausschreibung der Kassenstelle zur Nachbesetzung. Um Versorgungslücken zu vermeiden, könne die ÖGK eine sog. „Verrechnungsvereinbarung“ mit dem kündigenden Arzt zu den denselben Vertragskonditionen wie als Vertragsarzt abschließen. Diese wäre zeitlich befristet bis zur Nachbesetzung der Stelle im Wege der ordentlichen Ausschreibung, so die Auskunft der ÖGK Burgenland.“ Voraussetzung wäre die Bereitschaft des Arztes. So die Auskunft der ÖGK Burgenland weiter.

Dr. Heindl: „Entscheidung klar kommuniziert“

Was sagt Dr. Heindl dazu? Auf Nachfrage der IZH kam er direkt auf den Punkt: seine Entscheidung über das Zurücklegen des Vertrags sei gegenüber der Gemeinde rechtzeitig und klar kommuniziert worden. Er habe keine Zusagen gemacht, den Kassenvertrag bis zur Übernahme eines Nachfolgers weiterzuführen. Er habe mit 1. Oktober den Kassenvertrag mit der ÖGK gekündigt und „wird ab Anfang Oktober als Wahlarzt (Anm.: ÖGK) mit den kleinen Kassen, sowie für Mutter-Kind-Pass,- und Vorsorgeuntersuchungen weiterhin zur Verfügung stehen“, so Dr. Hans Heindl.

Somit sind die Darstellungen des Bürgermeisters in Frage zu stellen.

Auf Nachfrage bzgl. der Behauptung des Bürgermeisters, dass er „den Vertrag in Abstimmung mit der Gemeinde den Kassenarztvertrag behält, bis ein Nachfolger gefunden wäre“, ergänzte dieser, dass es viel eher so wäre, dass die seinerseitige Kündigung des Kassenvertrags überhaupt erst die Voraussetzung geschaffen habe, eine neue Kassenstelle seitens der ÖGK auszuschreiben. Heindl bestätigte dadurch die Auskunft der ÖGK Burgenland.

Auch auf zusätzliche Nachfrage der IZH bei der ÖGK in Wien konnte ebenso bestätigt werden, dass eine Zurücklegung des Kassenvertrags mit Datum zu fixieren sei, bevor eine neue Kassenstelle ausgeschrieben werden könne. „Daher ist die Ankündigung des Bürgermeisters, Dr. Heindl würde im Vertrag bleiben, bis ein Nachfolger übernimmt, falsch.“ so die Auskunft der ÖGK Wien.

Zehn Tage Stille, dann: Gemeinderatssitzung

Knapp vor den Wahlen dürfte dieses Thema einiges Potential haben um im Team Wolf für Anspannung zu sorgen. Zehn Tage ließ sich Bürgermeister Christoph Wolf bis zur Gemeinderatssitzung Zeit, um seinerseits das Thema rund um das Thema Gesundheitsversorgung wieder in seine politischen PR-Aktivitäten aufzunehmen.

Was ist in der Zeit geschehen? Die SPÖ Ortsgruppe brachte bei der Gemeinderatssitzung am 12. September 2022 einen Tagesordnungspunkt zur Beschlussfassung von Maßnahmen zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung ein. Im Zuge der gemeinderätlichen Diskussion versicherte Wolf: er habe sich um die Sicherung der Gesundheitsversorgung bemüht. Bemüht hätte er sich außerdem Dr. Hans Heindl telefonisch zu erreichen. Doch dieser reagiere auf seine Anrufe nicht, teilte der Bürgermeister dem Gemeinderat und den anwesenden Zuhörer*innen mit. Schließlich wurde vom Gemeinderat ein umfangreiches Maßnahmenpaket beschlossen. Am 15. September 2022 wurden die wesentlichen Eckpunkte veröffentlicht (siehe Artikel auf hornstein.at).

Dort ist zunächst bereits Bekanntes zu lesen: „Die Kassenarztstelle kann sofort vergeben werden. Als Gemeinde ist es unser Ziel, diese Stelle so schnell wie möglich nachzubesetzen. Dazu stimmen wir uns eng mit Ärztekammer und Gesundheitskasse ab“, um schließlich auf das eigentliche Ergebnis der Diskussion zu kommen:

„Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, die Landesförderung für die Ansiedlung von Hausärzten zu verdoppelt und die Ordinationsmietkosten für ein Jahr zu übernehmen.“

Website Marktgemeinde Hornstein

Bürgermeister Wolf merkt an, dass somit insgesamt bis zu 60.000 Euro für die Ansiedelung eines Arztes lukriert werden können.

Wie der Bürgermeister „als Gemeinde“ eine Landesförderung verdoppeln wird, bleibt im Artikel unbeantwortet. Ebenso die Höhe der zu erwartenden Ordinationskosten.

Nachfrage bei der SPÖ

Auf Nachfrage bei Florian Hofstetter (SPÖ Hornstein) erfahren wir mehr. Angesprochen auf die seitens der Gemeinde kommunizierten maximalen Erhöhung auf EUR 60.000,00 Landesförderung stellt er klar: der Gemeinderat hätte beschlossen, einen bestehenden Sockelbetrag in der Höhe von EUR 20.000,00 Schritt für Schritt zu erhöhen. Diese Erhöhung sei allerdings an bestehende rechtliche Bedingungen geknüpft und würden sich in Steigerungsstufen darstellen.

Ein 1. Steigerungsbetrag in der Höhe von EUR 10.000,00 sei bei einer erfolglos bleibenden dritten Ausschreibung vorgesehen (Anm.: die 3. Ausschreibung endet am 12. Oktober 2022). Weitere EUR 10.000,00 sind bei Übernahme gemeindeärztlicher Verpflichtungen – Hofstetter nennt als Beispiel eine Sachverständigentätigkeit – vorgesehen. Ein 3. Steigerungsbetrag (weitere EUR 10.000,00) kann bezogen werden, wenn ein Arzt bei unklaren Todesursachen („Totenbeschau“) tätig wird und dies mit der Gemeinde vereinbare. Die 4. Stufe käme nur dann zu tragen, wenn das Patientenaufkommen geringer sein sollte, als bei einer durchschnittlichen Kassenarztstelle. „(…) was in Hornstein nicht der Fall sei, denn man spreche hier bereits von einer dritten Kassenarztstelle“, so Florian Hofstetter (SPÖ Hornstein). Aufgrund dessen kann davon ausgegangen werden, dass der als maximal erreichbare Zielbetrag von EUR 60.000,00 zumindest in Hornstein nicht erreichbar sei.

SteigerungenBedingungen
SockelbetragBislang bestehender Basiszuschuss20.000,00
Steigerung 1Ab erfolglos gebliebener 3. Ausschreibung (läuft aktuell)10.000,00
Steigerung 2Bei Übernahme „gemeindeärztlicher Verpflichtungen“10.000,00
Steigerung 3Vereinbarung für „Totenbeschau“10.000,00
Steigerung 4Bei „unterdurchschnittlichem“ Patientenaufkommen10.000,00
Ansiedlung von Hausärzten: Aufstockung der Landesförderung durch die Gemeinde (Quelle: Auskunft Mag. F. Hofstetter, SPÖ Hornstein)

Angesprochen auf die ebenso beschlossene Übernahme der Ordinationsmietkosten für ein Jahr, seien zur Verfügung stehende Räumlichkeiten im Gesundheitszentrum diskutiert worden. Wie sich diese Bezuschussung finanziell auf das Gemeindebudget auswirken würde, blieb unbeantwortet: „Das wird man sich im Detail anschauen müssen, wenn es so weit ist“.

Ausgang offen

Zwischenzeitlich flatterten Informationen des Bürgermeisters als Amtliche Mitteilung in die Postkästen der Hornsteiner Haushalte.


Ob und wie sich eine Lösung für den vorauszusehenden Ärztemangel findet, wird sich voraussichtlich erst nach den Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen zeigen.

Über diese Initiative

Die Initiative Zukunft Hornstein ist ein Dialog- und Bürgerforum für die Menschen der Gemeinde Hornstein.

Wir sind ehrenamtlich engagiert und haben es uns zum Ziel gesetzt, die Entwicklungen in Hornstein zu verfolgen, darüber zu informieren, Ideen einzuholen sowie selbst einzubringen, kritisch zu hinterfragen und zur Diskussion zu stellen.

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